Übersprungshandlung beim Pferd einfach erklärt



Barba treibt mich immer an den Rand der Verzweiflung aber erweitert auch dadurch ungemein meinen Wissenshorizont.

Also werde ich mal meinen neu errungenes Wissen auch gerne teilen:

  1. Was bedeutet das Wort Übersprungshandlung?
  2. Wie äußert sich diese beim Pferd?
  3. Übersprungshandlungen bei uns Menschen?
  4. Der Unterschied zwischen der Übersprungshandlung Kopfschlagen und dem Headshaking


1. Was bedeutet das Wort Übersprungshandlung?

Übersprungshandlungen (auch Übersprungsbewegung/Übersprungsverhalten/displacement activity/substitute Activity genannt)

Ein Verhalten, das unerwartet auftritt, nicht zu dem davor und danach gezeigten passt und in der Situation unangemessen und wenig hilfreich erscheint.

Eines der bekanntesten Beispiele sind 2 miteinander um ein Territorium kämpfende Hähne. Sie haben 2 Möglichkeiten: Kampf oder Flucht. 
Sind diese beiden Triebe gleich stark, entscheiden Sie sich dafür plötzlich auf dem Boden zu picken. Die 2 Instinkte werden praktisch "übersprungen" und es wird ein Verhalten gezeigt, welches aus einem völlig anderen - dritten Funktionskreis - des Verhaltensrepertoires stammt.

Eine mittlerweile recht anerkannte Theorie dazu ist die „Enthemmungs­hypothese“. Sie besagt, dass zwei gleichstark aktivierte (sich widersprechende!) Verhaltensweisen (oft Instinkte!) (oft Flucht und Angriff) sich gegenseitig hemmen und stattdessen eine dritte Verhaltensweise (mit einer schwächeren Handlungsbereitschaft) die zuvor gehemmt war, zum Vorschein gelangt.


2. Wie äußert sich diese beim Pferd?

Grundsätzlich ist eine Übersprungsbewegung etwas ganz natürliches und dient vorrangig dem Abbau von Stress oder dient der Deeskalation. Sie ist also eine Art "Entspannungsmechanismus".

Sie bedeuten aber auch, dass das Pferd in einem Konflikt steht.

Ein Konflikt ist z.B. die Überforderung bei der Bodenarbeit. Das Pferd entscheidet sich "plötzlich" dafür, sich zu welzen oder zu gähnen.

Aber auch wenn es sich am Bein kratzt (so wie aktuell bei Barbapapa der Fall)

Manchmal gehören Beinbewegungen wie z.B. das Scharren in Erwartung auf Futter zu Übersprungshandlungen. 
Das Scharren selbst diente dem Pferd ja eigentlich dazu nach Wasser oder Nahrung zu suchen/graben.

Schnappen oder Kopfschlagen kann auch eine Übersprungshandlung sein.

Könnte ein Pferd reden, würde es vielleicht folgendes sagen:
"Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, ich bin überfordert"
"Ich habe dich nicht) richtig verstanden"
"Ich bin ungeduldig, ich weiß nicht, was ich machen soll".



Wichtig: 
Greift dieser Anpassungmechanismus nicht mehr, kann sich daraus eine Verhaltensstörung entwickeln (Stereotypie)




3. Übersprungshandlung bei uns Menschen?

Das Prinzip funktioniert auch bei uns Menschen hervorragend :)

Ein gutes Beispiel ist hier das Wartezimmer einer Zahnarztpraxis. Der Wartende ist in einem Konflikt. Er weiß, dass er eine Behandlung braucht, hat aber Angst vor eventuellen Schmerzen. Der Mensch benutzt in dem Falle gerne Beruhigungsgesten, wie kratzen am Kopf, Nase kratzen, am Ohrlämpchen zupfen.
Aber auch wenn man vielleicht Streit mit dem Partner hat und der plötzlich auf die Uhr schaut. Manchen Menschen lachen auch laut in Situationen, die absolut nicht lustig sind.

Die Häufigkeit dieser Gesten zeigt unmittelbar das Stresslevel an.

Ich finde, dass der englischen Begriff "displacement activity" es am besten beschreibt. Denn es ist quasi eine Ersatzhandlung für die eigentliche Handlung uns soll den Druck/Stress verringern.



4. Der Unterschied zwischen einer Übersprungshandlung und dem Headshaken


Eine Übersprungshandlung ist - so habe ich es ja schon erklärt - etwas, dass das Tier ersatzweise für eine Handlung tut.
Es tut dies willkürlich.

Headshaking dagegen wird reflexartig ausgelöst. Das Tier kann dies also nicht beeinflussen.
Meiner Meinung nach (und das ist auch die Meinung von unserem Tierarzt und Trainer Markus Scheibenpflug) durch die Reizung des Trigeminusnervs ausgelöst.
Diese Theorie ist jedoch wissenschaftlich nicht bestätigt.
Wirkliche Studien gibt es darüber auch nicht,

Der Nerv wird gereizt, der Impuls wird weitergeleitet und es erfolgt ein sofortiges Kopfschlagen. Wer schon einmal den Nerv am Ellbogen getroffen hat, weiß, dass das weg tut und wie man sich verhält.


Fazit:
Es ist nicht leicht eine Übersprungshandlung zu erkennen. Spätestens, wenn es sich aber in eine Verhaltensstörung umwandelt, sollte man sich dessen bewusst annehmen.

Videos und Bilder zur Übersprungshandlung findet ihr hier (Unser Weg aus dem Headshaking September 2019)

Ein kurzer Reitvideo vom September als Beispiel seht ihr hier


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